„Nach meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester 1973 stellte mir die damalige Medizinische Akademie Magdeburg (heutige Uniklinik) einen Bettenplatz in einem Mehrbettzimmer zur Verfügung, Gesamtmiete 10,80 Mark. Das Los fiel auf mich, als ein „Einzelzimmer“ frei wurde. Aber wegen des miserablen Zustandes dieser Dachbodenkammer, u. a. Rattenplage, stellte ich Anfang 1974 einen Antrag auf eine Einraumwohnung. Ab 1.2.1976 erhielt ich eine Werkwohnung in der Wilhelm-Pieck-Allee 14a – im sogenannten Blauen Bock, wo ich bis 1983 mein Zuhause hatte.
Der Blaue Bock war ursprünglich als Bauarbeiterhotel konzipiert, die MAM hatte 80 Zimmer in Verwaltung, ansonsten waren unter den Mietern alle Schichten vertreten, Arbeiter, Angestellte, Studenten, Ärzte…
Mein Zimmer, mit Nr. 516, befand sich in der 5. Etage zur Nordseite, leider ohne Sonneneinstrahlung. Mein Apartment umfasste insgesamt nur 16,5 m², davon 1,44 m² Toilette mit einem kleinen Waschbecken, Gemeinschaftsduschen gab es auf dem Ende des Ganges auf jeder Etage, einem kleinen Flur mit Einbauschrank, sowie eine 0,97m² „große“ Kochnische mit Hängeschrank für eine Gesamtmiete von 28,80.
Obwohl so klein, meine Freude war riesengroß! Eine totale Verbesserung zu vorher. Man war doch früher bescheiden, ich war glücklich. Meine 1. eigene Wohnung! Ich richtete mich so schön ein, so wie es mir, nur mir allein gefiel, mein kleines Puppenstübchen! Ich kaufte mir unter erschwerten Bedingungen neue Möbel, der passenden Teppich dazu war das Problem, aber als ich ihn hatte, war ich stolz wie Oskar, und einen 60l Würfelkühlschrank, der passte genau unter die Spüle in die Kochnische hinein. Freilich reichte dieser nicht aus für alle Lebensmittel und Getränke. Da es im Zimmer sowieso immer zu warm war, habe ich wie viele andere Bewohner die Fahnenhalterungen, die an jedem Fenster außen angebracht waren, dafür benutzt, Lebensmittel in Beutel, Taschen, Netze, daran zu hängen, um sie kalt zu halten. Ein neuer zusätzlicher Name für den Blauen Block war geboren: „BEUTELHAUS“!
Ich erinnere mich noch, da meine Fenster zum Innenhof zeigten, als das damalige Zentrum-Warenhaus seine Angebote mit dem „Zentrum-Funk“ nach außen auf die Straße hinaus anpries. Mich störte die Lautstärke enorm, wenn ich Nachtdienst hatte und am Tage schlafen musste. Außerdem musste man immer daran denken, die Gardine zu zuziehen, da oft die Angestellten des Zentrum-Warenhauses hinter der Netzfassade aus Aluminiumplatten die Vorgänge im Gegenüber beobachteten und diese Spanner durch diese Verkleidung im ersten Moment schlecht zu entdecken waren. Man fühlte sich immer irgendwie beobachtet.
Ansonsten fühlte ich mich jedoch in den ersten Jahren pudelwohl dort, ich kochte auf meiner einflammigen Herdplatte im Etagen- und Warmhalteverfahren ganze Menüs. Mit einem Alu-Grill bereitete ich allerlei Leckereien zu, wie z.B. Toast-Hawaii für mich und meinen Besuch. Ich habe in meinen 4 Wänden eine glückliche Zeit verbracht, meine Jugend genossen…geliebt, gelacht, gefeiert, sogar zum Tanzen war Platz…
Ein Problem war natürlich, dass es keine Stellmöglichkeiten für Waschmaschinen gab und auch keine Trockenmöglichkeiten! Wir nutzten die Wäscheannahmestelle in der Jakobstraße. Ein bisschen Handwäsche im kleinen Becken ging so. Für die Kochwäsche allerdings eine Katastrophe, gab ja nur die eine Herdplatte, zum Spülen und Aufhängen nur der Toilettenraum, ich erinnere mich an die enorme Feuchtigkeit!! So war es in der letzten Zeit eine Zumutung…
Als ich dort einzog, hatte alles noch seine Ordnung. Es gab einen Hausmeister, der auch im Objekt wohnte, täglich am Abend mit seinem schwarzen Schäferhund seine Runde drehte. Es war sauber, auch der Müllschluckerraum. Erst die letzten Jahre, als es auch keinen Hausmeister mehr gab, verdreckte alles, die Verwaltungen kümmerten sich nicht mehr, die Kakerlaken waren nicht mehr zu besiegen, es wurde immer weniger gespritzt deswegen, der Müllschluckerraum musste verschlossen werden, die Gemeinschaftsduschen konnten nicht mehr benutzt werden. Der Müll wurde im Fahrstuhl entsorgt. Ich schämte mich, dort zu wohnen! Schade, dass man es so verkommen lassen konnte.“
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